Luftaufnahme vom Psychiatrischen Zentrum Nordbaden

PZN-Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung freut sich für Patient*innen und Mitarbeitende über die Einweihung der Station 41

Was lange währt, wird endlich sehr gut – ein qualitativer Quantensprung in der Pflege, der Therapie und der Behandlung suchterkrankter Menschen wird möglich.

Im April 2019 starteten die Planungsarbeiten für die notwendige Generalsanierung der stark in die Jahre gekommenen Station 47, die nun endlich in das Gebäude 41 umziehen kann. Bis zur Einweihung des neuen, generalsanierten Gebäudes sollte es vier Jahre dauern. Rund 6 Millionen Euro werden am Ende in die Ertüchtigung des denkmalgeschützten Gebäudes aus Investitionsmitteln des Landes geflossen sein.

Geschäftsführerin Anett Rose-Losert ist sich sicher, dass sich die künftigen Nutzer*innen - Patient*innen und Mitarbeiter*innen - in diesen schönen Räumen wohlfühlen werden, was auf die Behandlungsergebnisse einen maßgeblichen Einfluss haben wird.

Frau Rose-Losert bedankte sich bei allen Verantwortlichen für den langen Atem während der Bauzeit, da Preissteigerungen sowie Fachkräftemangel im Handwerk immer wieder zu Verzögerungen und Planänderungen geführt haben.

Einen weiteren Dank sprach sie in Richtung Sozialministerium aus, das mit den zur Verfügung gestellten Investitionsmitteln die Sanierung überhaupt ermöglichte. „Die Station 41 ist ein weiterer Baustein, der 2022 eingeleiteten konzeptionellen Entwicklung einer zukunftsfähigen Suchtpsychiatrie. Sie haben hier räumliche Voraussetzungen geschaffen, um Patient*innen mit Mehrfachdiagnosen auf ihrem individuellen Weg bestmöglich durch eine ambulante, tagesklinische oder stationäre Behandlung zu leiten.“

Chefarzt Tobias Link begrüßte die Gäste und beschrieb in einem historischen Abriss den qualitativen Wandel der Suchtbehandlung. „So wandlungsfähig die Substanzgebräuche sind, so sehr diese medizinische Disziplin von gesellschaftlichen, moralischen und ethischen Wertungen sowie von gesetzlichen Vorgaben abhängt, so müssen wir bereit sein, uns fortzuentwickeln, um die passenden Antworten und Behandlungsmethoden den Abhängigen zukommen zu lassen.“ Der Einbezug von Expert*innen aus Erfahrung - die enge Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe und mit Genesungsbegleiter*innen - ist aus der modernen Suchttherapie nicht mehr wegzudenken. Diese Zusammenarbeit pflegt die Klinik seit vielen Jahren erfolgreich.

Als nächster sprach Herr Uwe Pelzl, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Fachstelle Sucht Bruchsal, zu den Gästen. Herr Pelzl kennt das PZN noch als Patient. Seit vielen Jahren ist er „trocken“ und engagiert sich in der Suchthilfegruppe. „Ich komme gerne ins PZN und arbeite gerne mit Ihren Teams zusammen. Hier herrscht eine gute, wertschätzende Atmosphäre. Das Ambiente auf dieser neuen Station überrascht mich außerordentlich positiv. Die Patient*innen werden sich freuen und sich auf die Behandlung viel lieber einlassen. Das haben sie verdient.“

Peter Salat, Pflegedienstleiter der Klinik, wartete mit historischen Informationen auf. „In diesem Gebäude waren früher in Mehrbettzimmern bis zu 50 Patientinnen, so genannte „halbruhige“ Frauen untergebracht. Solche Zustände können wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen. In den letzten drei Jahren vor der Sanierung fungierte das Haus als Flüchtlingsunterkunft für jesidische Frauen und Kinder, das war eine echte Bereicherung für das PZN.“ Auch Peter Salat ist froh darüber, dass die Mitarbeitenden nun über sehr gute Arbeitsbedingungen verfügen und sich so die Attraktivität des PZN weiter verbessern wird.

Walter Oethinger, der planende und ausführende Architekt des PZN, beschrieb die Baumaßnahmen, die sich über eine Nutzfläche von 1425 m² und einem Bruttorauminhalt von 6862 m³ erstrecken. Insbesondere die Absenkung des vorhandenen Kriechkellers im Untergeschoss stellte die Handwerker vor schier unlösbare Aufgaben, um hier künftig Büros, Räume und die komplette Technik samt barrierefreiem Aufzug unterbringen zu können. „Die Station wurde 1903 für 90 Tausend Reichsmark innerhalb von zwei Jahren gebaut und ging zur Gründung der damaligen Großherzoglichen Heil- und Pflegeanstalt bei Wiesloch als eines der ersten Gebäude in den Betrieb. 20 Tausend Reichsmark flossen noch in die Innenausstattung. Unglaublich aber wahr“, so Oethinger.

Musikalisch wurde die Feier von den beiden PZN-Musiktherapeut*innen Charly Hanenberg und Jutta Eise begleitet. Selbstgeschriebene Texte, die perfekt zum Anlass passten, wurden auf eingängige Melodien von Herbert Grönemeyer und Udo Jürgens unterhaltsam dargeboten. Nach der feierlichen Eröffnung standen die neuen Räumlichkeiten im Mittelpunkt, die von den zahlreichen Gästen besichtigt wurden.

Hintergrundinformationen:

Deutschland gehört immer noch zu den Ländern mit dem höchsten Alkoholkonsum (mehr als 13l reiner Alkohol pro Erwachsener / Jahr). Dementsprechend gibt es eine hohe Rate an Alkoholabhängigkeit und einen enormen Behandlungsbedarf. Die PZN-Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung zählt 3000-3300 Behandlungsfälle pro Jahr, davon mehr als 20% auf der Station 47, > 50% wegen Alkoholabhängigkeit.

 

  • Informationen zum Anstieg der Menschen mit Alkoholabhängigkeit in Baden-Württemberg: In Baden-Württemberg waren im Jahr 2020 mehr als 133.000 Männer und Frauen alkoholkrank. Die Zahl der Betroffenen ist seit dem Jahr 2016 um fast vier Prozent gestiegen (Männer +3.2%, Frauen +5.4%). Quelle: Alkohol | BARMER.
     
  • Alkohol und Rauchen: Die COVID-19-Pandemie als idealer Nährboden für Süchte: Die Daten zur Corona-Pandemie lassen eine weitere Steigerung der Abhängigkeiten erwarten. Quelle: Alkohol und Rauchen: Die COVID-19-Pandemie als idealer Nährboden für Süchte (aerzteblatt.de).
     
  • Medikamentenabhängigkeit in Deutschland: In Deutschland gibt es 1,2 bis 2 Mio. medikamentenabhängige Menschen. Ein Anstieg ist bei Menschen mit Abhängigkeit von Opioidanalgetika zu verzeichnen. Hintergrund: Die Erstverschreibung von Opioiden bei chronischen, nichttumorbedingten Schmerzen nahm in Deutschland bereits zwischen 2000 und 2010 um 37 % zu. Nicht immer werden bei der Verschreibung die gängigen Leitlinienempfehlungen berücksichtigt. In den USA liegt die Opioidabhängigkeitsrate bei Patient*innen mit chronischen, nichttumorbedingten Schmerzen bei 8–12 %. Auch bei uns ist ein Anstieg zu beobachten. Von 2000 – 2020 hat sich die Verordnung von Opioidanalgetik mehr als verdoppelt. Quellen: MedikAbhaengigkeit.pdf (dhs.de), Abhängigkeit von verschreibungspflichtigen Opioiden (aerzteblatt.de).