Um einen stärkeren Praxisbezug zu erreichen und auch kleinere Projekte zu fördern, die sich direkt an die Patienten wenden, hat der Verwaltungsrat der Reimann-Roller-Stiftung eine Änderung der Vergabepraxis beschlossen. Ab 2016 wird der Christian Roller Preis an Initiativen und Organisationseinheiten der drei psychiatrischen Zentren (ZfP Emmendingen, PZN Wiesloch, ZfP Reichenau) vergeben, die Ideen und Konzepte entwickelt haben, welche geeignet sind, psychisch Kranken oder Menschen mit Behinderungen unmittelbare Unterstützung in ihrem Lebensalltag zu geben. Um den Preis können sich Mitarbeiter aller in der psychiatrischen Versorgung tätigen Berufsgruppen bewerben.
Der Christian Roller Preis wird alle zwei Jahre mit einem Preisgeld von insgesamt 20.000 Euro ausgelobt. Namensgeber ist Christian Roller (1802–1878), Begründer und erster Direktor der Großherzoglichen Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern. Mit seinen damals unkonventionellen Ansätzen gilt er auch heute noch als Pionier der modernen Psychiatrie. Eine Aufteilung des Preisgeldes auf mehrere Preisträger ist möglich. Die Preisträger verpflichten sich, das Preisgeld zur Finanzierung ihres Projektes zu verwenden. Der Preis kann auch als Anerkennung des Engagements einzelner Mitarbeiter oder Organisationseinheiten verwendet werden. Finanziert wird das Preisgeld von den Illenauer Stiftungen aus Erträgen des Stiftungskapitals. Dieses geht größtenteils auf Zuwendungen zurück, die von Kranken, Angehörigen und Sponsoren zur Förderung der Illenau geleistet wurden.
Insgesamt wurden 16 Arbeiten, fünf davon aus Wiesloch, eingereicht, die durchweg den Vergabekriterien in besonderer Weise entsprachen. Die Bewertung erfolgte durch die Verwaltungsratsmitglieder der Stiftung in freier und unabhängiger Entscheidung. Diese entschieden, den Christian Roller Preis auf mehrere Bewerber zu verteilen. Aus den eingegangenen Bewerbungen hat der Verwaltungsrat zwei Preisträger asu dem PZN Wiesloch bestimmt, ein dritter Preis ging nach Emmendingen.
Weitere Informationen unter www.illenauerstiftungen.de
Hintergrundinformation
Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Illenau
Als es noch gang und gäbe war, psychisch Kranke in „Zucht-, Irren-, Toll- oder
Waisenhäusern“ zu verwahren, ersann der Arzt Christian Friedrich Wilhelm Roller (1802–1878) ein völlig neues Konzept: eine Musteranstalt in ländlicher Atmosphäre mit einer vorgelebten, idealen Ersatzfamilienstruktur. Auf der grünen Wiese entstand unter seiner Leitung die Großanstalt Illenau bei Achern (Nähe Baden-Baden). Als bahnbrechend erwies sich nicht nur der „Illenauer Geist“ als Behandlungskonzept, sondern auch die Architektur der Klinik im Baustil des Korridorsystems mit unterschiedlichen Gebäudeachsen für Männer und Frauen und für heilbar und unheilbar Kranke. Das Erfolgsmodell setzte sich in den Psychiatrien weit über Europa hinaus durch: von den USA bis nach Kasachstan. Während ihres fast 100-jährigen Bestehens hatte die Illenau einen Sonderstatus zwischen Universitäts- und Landesklinik – einmalig in Deutschland. Die Nationalsozialisten setzten der Heil- und Pflegeanstalt ein Ende. Im Gegensatz zu den Universitätskliniken wurde sie in die Euthanasie mit einbezogen und viele ihrer Patienten starben in den Gaskammern. Im Oktober 1940 wurde die Illenau geschlossen.
Illenauer Stiftungen
Neun verschiedene Stiftungen mit den unterschiedlichsten Stiftungszwecken
bestanden auch nach der Schließung der Illenauer Klinik 1940 weiter fort. Doch sollten diese dann den ehemaligen badischen Anstalten Emmendingen, Wiesloch und Reichenau zufließen. Die Stiftungszwecke wurden entsprechend verändert. Auch der Sitz und die Verwaltungen sämtlicher Stiftungen wurden an das ehemalige Psychiatrische Landeskrankenhaus Emmendingen verlegt. 2001 konnten diese schließlich in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Freiburg als „Illenauer Stiftungen“ zusammengeführt und ihre Zielrichtung neu definiert werden.