Luftaufnahme vom Psychiatrischen Zentrum Nordbaden

16.07.13 - Neue Eckpunkte in der Pflege: Schärfung des Profils?

BZG-Expertengespräch zur Profilierung und Modernisierung der Pflegeberufe

Die dringend anstehende Weiterentwicklung des Pflegeberufegesetzes stand im Mittelpunkt des 3. Expertengesprächs, zu dem die Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH (BZG) am Freitag, 28. Juni 2013, in Wiesloch eingeladen hatte. BZG-Geschäftsführer Walter Reiß und Schulleiterin Andrea Senn-Lohr stellten die zentrale Frage: Führen die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Pflegeberufe“ formulierten Eckpunkte zu einer Schärfung des Profils? Denn mit der nachhaltigen Profilierung, so stellte es Walter Reiß gleich in seiner Einführung fest, tue sich die Pflege nach wie vor schwer.

„Der Wert beruflich pflegender Menschen muss endlich entdeckt und erschlossen werden!“ forderte der Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), Andreas Westerfellhaus, mit Nachdruck. Der Referent, der die Interessen der Pflegeberufe seit 2009 ehrenamtlich in Berlin vertritt, machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über die offensichtliche „Fehleinschätzung“ im Bundesgesundheitsministerium. Obgleich aktuelle Studien bis 2020 einen Mangel von 140.000 Fachkräften in der Pflege prognostizieren, und das ohne Altenpflege, sei die Brisanz dieses Themas noch immer nicht bei den Verantwortlichen angekommen.

Was versprochen war, wurde nicht geliefert!
Die professionell Pflegenden sind mit 1,2 Millionen Vertretern die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, dennoch führen die Interessen der Pflegeberufe auf der Prioritätenliste der Bundespolitik ein randständiges Dasein. Außer der vollmundigen Ankündigung „Pflege – darum kümmern wir uns!“, die als Motto auf einer 1,2 Millionen Euro teuren Plakat-Aktion prangte, sei, so der DPR-Präsident, auch in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode wieder nichts geschehen. Dabei sollte ja bereits das Jahr 2011 das Jahr der Pflege werden!

Ernüchterung angesichts der Tatenlosigkeit in Berlin war nicht nur bei den Referenten, sondern auch bei den rund 60 Tagungsteilnehmern aus dem Pflegemanagement, der Pflegewissenschaft und Pflegepädagogik zu spüren. Dies umso mehr, als die Eckpunkte für das längst überfällige Pflegeberufegesetz als Ergebnis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe seit März 2012 auf dem Tisch liegen. Um endlich Gehör bei der Politik zu finden, habe der DPR nun eine Kampagne unter dem Motto „Ich will Pflege!“ initiiert, die den Pflegenden – nicht zuletzt im Hinblick auf die im Herbst anstehenden Wahlen – eine Stimme verleiht. Die Expertenrunde war sich einig darin, die Kampagne umfassend zu unterstützen durch Online-Unterschriften (unter: www.ichwillPflege.de) und durch Verbreitung in den jeweiligen Netzwerken. Generalisierte Ausbildung: Drei Jahre sind zu wenig!
Das vorliegende Eckpunktepapier postuliert eine generalistische Pflegeausbildung und eine grundständige Studienmöglichkeit. Annette Lauber, Direktorin im Robert-Bosch-Bildungszentrum Stuttgart, widmete ihr Referat der Frage: Wie können die aktuellen Ausbildungsgänge für die Berufe der Gesundheits- und Kranken- bzw. der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege zusammengeführt werden, dass nicht nur die Attraktivität des Berufs steigt, sondern auch die Handlungskompetenzen erhalten bleiben? Die Diplom-Pflegepädagogin (FH) und Pflegewissenschaftlerin (M.Sc.) machte deutlich, dass mit einer generalisierten Pflegeausbildung relevante Veränderungen auf die Gesundheits- und Krankenpflegeschulen zukommen. Sie zeigte insbesondere die erhöhten Transfererfordernisse, die mit dieser Ausbildungsreform sowohl am Lernort Pflegepraxis als auch am Lernort Pflegeschule einhergehen. In der Diskussion war sich die Expertenrunde einig, dass eine dreijährige Dauer der einheitlichen Ausbildung zur generalistischen Pflegefachkraft sinnvoll ergänzt werden könnte durch eine halbjährige Vertiefung der Handlungskompetenz in einem speziellen Arbeitsgebiet.

Pflege kann jeder? Abgrenzung zur Auflösung eines Missverständnisses
Anstelle der nötigen Profilierung beklagte Peter Bechtel, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Pflegemanagement e.V., eine zunehmende Aufweichung des Berufsbildes. Von der Hauswirtschaft bis zur Intensivpflege, von der allgemeinen bis zur speziellen Pflege werde alles Mögliche in einen Topf geworfen. Ein Berufsgesetz, das die für die Profession Pflege vorbehaltenen Tätigkeiten klar definiere, sei daher längst überfällig. Dies könne nicht nur dazu dienen, die beruflich Pflegenden von der Laienpflege abzugrenzen, sondern auch die existierende Grauzone zwischen pflegerischen und ärztlichen Tätigkeiten klären. So stoße beispielsweise ein Modellvorhaben des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes (nach SGB V, § 63, 3c), bei dem bisher Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten – beispielsweise in der Versorgung von Diabetes-, Hypertonus- oder Demenzerkrankten sowie im Wundmanagement – von Pflegefachpersonen übernommen werden können, bei der Umsetzung an politische und tradierte berufsständische Grenzen, die eine realistische Umsetzung kaum ermöglichen. Und dies bei nachweislich vorhandenen Kompetenzen beruflich Pflegender. Die Experten sahen dringenden Handlungsbedarf, um unklare gesundheitspolitische Vorgaben und fehlende Curricula bei der Aus- und Weiterbildung zu definieren.

„Kein Abschluss ohne Anschluss“ – Modularisierung pflegerischer Bildungsgänge
Die Chancen, die eine im Eckpunktepapier vorgesehene Modularisierung von Ausbildung und Studium im pflegerischen Bildungssektor mit sich bringen kann, zeigte der Pflegewissenschaftler Peter Scheu vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln auf. Zur Debatte stand dabei unter anderem die Frage, wie sich die horizontale und vertikale Durchlässigkeit der Aus- und Weiterbildung im Hinblick auf lebenslanges Lernen auswirke. Ausschlaggebend für den Erfolg dieses Konzeptes seien u.a. die einheitliche und rechtlich verbindliche Regelung der organisatorischen und strukturellen Ausrichtung der Bildungsgänge, die Festlegung der Module im Ausbildungsverlauf sowie einheitliche Prüfungsverfahren und -zeiträume.
Mit diesen Voraussetzungen werde die Modularisierung aus der Sicht der Pflegeexperten zur Verkürzung und Flexibilisierung von Aus- und Weiterbildungswegen beitragen, nicht zuletzt, weil bereits erworbene Kompetenzen auf Bildungsgänge vergleichbar gemacht und damit anerkannt werden können. Als deutliche Verbesserungen gegenüber der aktuellen Situation sei neben der besseren Durchlässigkeit der Ausbildungswege auch die Chance zur Profilbildung sowohl auf institutioneller als auch individueller Ebene zu nennen.

Die Pflegefachschule BZG im Kurzporträt

Im Jahr 2009 haben sich ausbildungserprobte Krankenpflegeschulen der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar und die Krankenpflegeschule des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) zur Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH zusammengeschlossen. Seit April 2010 arbeitet die Pflegefachschule in einem umfassend sanierten, denkmalgeschützten Gebäude auf dem Parkgelände des PZN in Wiesloch. Verteilt auf sechs Ausbildungskurse werden hier bis zu 180 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Neben der dreijährigen Qualifizierung in der Gesundheits- und Krankenpflege bietet die BZG in Kooperation mit der Katholischen Hochschule Freiburg auch eine akademische Ausbildung an, die zum „Bachelor of Arts in Pflege“ führt.
Mit der Veranstaltungsreihe „Expertengespräche“ greift die BZG einmal jährlich aktuelle Fragen mit hoher Relevanz für den Berufssektor der professionell Pflegenden auf. Im Kreise der Vertreter aus Berufspolitik, Pflegewissenschaft, Pflegemanagement und Pflegepädagogik werden Lösungsstrategien und Handlungsempfehlungen entwickelt, die geeignet sind, auch Umsetzungsprozesse anzustoßen. Die vierten Expertengespräche werden am 09.05.2014 wieder mit aktuellen Themen und namhaften Referenten in der BZG stattfinden.