Ärzte, Zahnärzte und Apotheker haben sie, Psychotherapeuten, Juristen und Architekten ebenfalls: eine eigene Kammer für ihren Berufstand. Sie stehen als Ansprechpartner für die jeweilige Berufsgruppe in der Öffentlichkeit, aber setzen auch Qualitätsstandards fest, sowohl in der praktischen Ausübung als auch in der Ausbildung zum Beruf. Ein bewährtes Konzept, wie es scheint: 300 Kammern sind deutschlandweit registriert. Auf Landesebene wird nun die Einrichtung einer neuen Kammer diskutiert, die es faktisch eigentlich längst geben müsste: eine Kammer für Pflegeberufe. Menschen, die in der professionellen Pflege, z.B. in Krankenhäusern, psychiatrischen Kliniken oder Altenheimen, arbeiten, stellen zahlenmäßig die größte Berufsgruppe überhaupt dar. 1,2 Millionen Menschen sind derzeit deutschlandweit in diesem Bereich tätig. „Pflegepersonen sind im Gesundheits- und Sozialwesen absolut unverzichtbar und werden in Zukunft immer wichtiger werden. Nicht nur, wenn man den demografischen Wandel betrachtet“, sagt Walter Reiß, Pflegedirektor am PZN in Wiesloch und Geschäftsführer des Bildungszentrum Gesundheit Rhein Neckar. In der Vorweihnachtszeit hat Reiß den örtlichen Landtagsabgeordneten Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr, der sich auf Landesebene z.B. für eine bessere Ausbildung von Pflegenden stark macht, zum Gespräch mit Pflegedienstleiterin, stellvertretendem Pflegedienstleiter und einer pflegerischen Stationsleitung ins PZN eingeladen. Denn der Druck auf Pflegepersonal steigt, auch hier in Wiesloch. „Immer weniger Menschen auf den Stationen müssen immer mehr leisten, weil einerseits der Nachwuchs fehlt, aber andererseits auch die Aufgaben wachsen“, berichtet Pflegedienstleiterin Sabine Said. Bedingt durch die demographische Entwicklung nehmen Pflegebedürftigkeit und chronische Erkrankungen auch bei psychisch erkrankten Patienten zu - bei immer kürzeren Verweildauern. Regina Lambart, pflegerische Stationsleiterin, ergänzt, dass nach neuen Gesetzen Pflegekräfte Aufgaben in der Diagnostik übernehmen könnten, die früher Ärzten vorbehalten waren. Der qualitative Anspruch an Pflegende hier in Wiesloch steigt. Sie selbst ist dafür gut gewappnet: Die junge pflegerische Stationsleiterin absolviert neben ihrer Tätigkeit am PZN, gefördert durch das Nachwuchsförderprogramm des PZN, ein Studium in den Pflegewissenschaften.
„Eine Pflegekammer würde nicht nur Qualitätsstandards für die professionelle Pflege festlegen, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, sie überwacht auch den eigenen Berufsstand. Auf der anderen Seite werden verkammerte Berufe öffentlich und politisch viel besser wahrgenommen und gewinnen an Attraktivität, auch für den so dringend benötigten Nachwuchs“, erklärt Reiß.
Nachbarländer sehen diese Vorteile offenbar ebenfalls: Rheinland-Pfalz erhält ab 2016 als erstes deutsches Bundesland eine eigene Pflegekammer. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen laufen entsprechende Vorbereitungen zu diesem Schritt. „Die Einrichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg ist eine Chance, die Selbstverwaltung der Pflegenden zu fördern, aber auch dieser großen und wichtigen Berufsgruppe in Zukunft einen starke Stimme zu geben, die z.B. bei politischen Entscheidungen gehört wird. Das kommt letztlich uns allen zugute“, zieht Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr das Fazit nach dem PZN-Besuch. Und Ralf Lauterbach, stellvertretender Pflegedienstleiter, ergänzt: „Es wird endlich Zeit, das bei wichtigen Entscheidungen nicht mehr nur über die Pflege gesprochen wird, sondern mit ihr.“ Ob die Pflegekammer kommt, werden die nächsten Monate zeigen. Derzeit führt Sozialministerin Karin Altpeter Sondierungsgespräche zur „Stärkung der Selbstverwaltung der Pflegeberufe“ und befasst sich eine Enquête-Kommission des Landtags mit dem Thema. Die Beschäftigten in Baden-Württemberg sind da vielerorts schon einen Schritt weiter: Bei einer Unterschriftenaktion des Landespflegerates haben sich über 17.000 Pflegende für die Einrichtung einer Pflegekammer ausgesprochen.